Arbeitsgemeinschaft RHYTHMIK für Hessen im

– Ausdrucksspiel aus dem Erleben.

 

- Eine Fortbildung mit Dagmar Berg in der Akademie für Tonkunst in Darmstadt.

 

 

 

Das erste, das mir auffällt, da ich über dieses Seminar berichten möchte, ist folgende Gemeinsamkeit von Rhythmik und Jeux Dramatiques: Schwierig zu beschreiben – man muss es erleben! Ich bin vor ein paar Jahren schon einmal für zwei Tage in diesen Genuss gekommen und so war es für mich ein „Wieder – erleben“, vielleicht nicht mehr ganz so intensiv und aufwühlend aber doch genau so angenehm und spannend wie beim ersten Mal.

 

Also, der Versuch einer Beschreibung:

 

Wir treten in den Rhythmikraum der Akademie, an allen Seiten liegen Tücher auf dem Boden.

 

Abgestuft nach Farben, von weiß über helle Töne, erdfarbene, durch den ganzen Farbkreis. Leichte, transparente, glatte, glitzernde, in der Regel einfarbig, wenige leicht gemustert, über samtene bis zu dicken, kräftigen, schweren Stoffen. Allein dieser Anblick ist interessant.

 

Wir beginnen allerdings mit – den Rhythmikerinnen vertrauten – kleinen Chiffontüchern (die anderen sind größer), die Dagmar zu einem regenbogenfarbenen Stern in der Mitte des Raumes angeordnet hat. Jede wählt eine andere Farbe, nach dreimaligem Wählen hat jede drei Tücher in Händen, schmückt sich damit.

 

Es folgen Übungen, die wir von der Rhythmik kennen – Bewegung im Raum, sich begegnen.

 

Dann nimmt sich jede zwei der größeren Stoffe und wir legen paarweise Kunstwerke, betrachten alle Ergebnisse, finden Titel. Es scheint bekannt von der Rhythmik und doch ist es anders. In jedem Augen-blick, in jedem An-blick wirken Farbe, Struktur, Anordnung und Kombination der Tücher auf mich. Die, die ich in den Händen habe, die, die ich berühre, und auch die, die ich „nur“ anschaue. Jeder Stoff wirkt auf jede von uns und in jeder Situation anders, löst andere Gefühle aus und das wird sich durchziehen durch diesen Tag und sich noch verstärken.

 

Ich beschreibe beispielhaft den Ablauf eines“Spiels“: Dagmar liest ein Gedicht vor, “Das Blümelein“ von Wilhelm Busch, die Geschichte eines Schmetterlings, der schweren Herzens erleben muss, wie seine geliebte Blume auch von Bienen und Käfern besucht und am Ende gar von einem Esel gefressen wird. Wir wählen uns Rollen aus der Geschichte, jede entscheidet für sich selbst, ob sie überhaupt mitspielen, wer oder was sie sein will. Sind die Rollen verteilt (alle dürfen mehrfach besetzt sein), wird nicht mehr gesprochen, jede wählt sich die Stoffe, die sie braucht, verkleidet sich und schlüpft in ihre Rolle. Dagmar liest den Text, währenddessen spielen wir das Gedicht. Erst danach  wird wieder geredet und wir tauschen uns aus über das Erlebte. Sofern wir mögen. Es besteht Freiheit in der Rollenwahl, beim Spiel und auch danach.

 

Es hört sich nicht spektakulär an, was hier geschieht und ist wirklich schwierig zu beschreiben. Schon beim ersten Hören des Textes stellen sich Bilder, Gefühle ein. Vielleicht fühle ich mich hingezogen zu Sonnenschein und Frühlingswind und möchte eine dieser Rollen spielen. Vielleicht stolpere ich aber auch über ein leichtes Unbehagen, zwiespältige Reaktionen auf andere Figuren im Text – ein eifersüchtiger Schmetterling, ein Esel, der eine Blume frisst – und wähle bewusst eine solche Rolle, die mich nicht von vornherein anspricht.

 

Dann kommt die Stoffauswahl: kräftig oder blass, schwer oder leicht, nur einer oder viele?
Ich kostümiere mich, so dass ich kaum wieder zu erkennen bin oder deute eine Verkleidung nur an. Alles ist möglich.

 

Jetzt wird schweigend gespielt, wir machen nur der Rolle entsprechende Geräusche und Laute. Je nach Rolle und meiner Entscheidung kann ich mich am Rande des Geschehens aufhalten oder mittendrin stehen. Je nachdem, wie ich meine eigene und andere ihre Rolle auslegen, kann es zu zaghaften, vorsichtigen Begegnungen oder zu kräftigen, heftigen Zusammenstößen kommen. – Wir sind lange sehr behutsam, Dagmar ermutigt uns nach einer Weile zu mehr Aktion. Vor dem Spiel werden allerdings Grenzen abgesprochen. Ich sage z.B.: „Ich möchte das Blümchen sein und wenn der Esel mich frisst, sollte er bitte sanft mit mir umgehen.“ – Ich gehe hinein in ein Spiel und erlebe mich, wie ich bin, mich wohlfühle, wie andere mir guttun, wenn ich Distanz und Nähe bestimmen kann. Und ich erlebe Überraschungen, begegne mir, wie ich auch sein kann, wie ich mich z.B. aus einem zarten Lüftchen auf einmal in einen über alles hinwegstürmenden Wind verwandle, wie ich (vielleicht mal wieder) sein möchte, nie dachte, dass ich sein könnte, erlebe im Spiel mit den anderen Spielern Entwicklungen, mit denen ich nicht gerechnet hätte.

 

Verschiedene Gefühle kommen hoch. Solche, die aktuelle Themen widerspiegeln, die ich mit mir selbst, meinem privaten oder beruflichen Umfeld habe oder auch grundlegende Themen in meinem Leben, meiner Person und Kindheitserinnerungen. Ja, dieses Erleben hat therapeutische Aspekte. Und ist doch nie bedrohlich, weil ich immer selbstbestimmt bleibe, mich rausziehen, Grenzen ziehen kann.

 

Selbstbestimmung und Selbsterleben prägen diesen Tag. – Was hat er nun mit meiner Arbeit mit Kindern zu tun? Nachdem ich die Jeux Dramatiques kennengelernt hatte, habe ich sie mehrmals auf Kindergeburtstagen unseren Gästen angeboten. Wir haben herrliche und friedliche Nachmittage damit verbracht! Die Kinder haben auch nach einfachen, kleinen Szenen eine unglaubliche Menge von Erlebtem erzählt. Oder auch nur ganz beglückt dem Erlebtem nachgespürt. Es ist eine tolle Möglichkeit für Kinder, „ein anderes Wesen zu sein“, „für (sich) selbst, frei von Leistungsdruck und Beurteilungen“ zu spielen.

 

Das ist am wichtigsten: „Es gibt kein Richtig und Falsch. Jeder drückt sich nach seinen Empfindungen und inneren Bildern aus.“ (Zitate aus Dagmars Paper)

 

Ich bedanke mich bei Dagmar für ihre ruhige Präsenz und die tolle Musikauswahl (Musik lief nur, während wir Stoffe aussuchten.). Und bei allen Teilnehmerinnen für ihr mutiges Sich-Einlassen und ihre Offenheit beim Erfahrungsaustausch.

 

Ein Tag, der guttat – gerne wieder einmal! Ich kann nur allen, die einmal die Chance haben,  Jeux Dramatiques zu erleben, raten: Nehmt sie wahr! Und denen, die sie schon kennengelernt haben und mit Kindern arbeiten: Probiert es einfach mal aus!!

 

von Ulli  H.

   

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