Arbeitsgemeinschaft RHYTHMIK für Hessen im

Workshop in Darmstadt, AG Hessen

Am 12. März 2016 war es so weit: Dank der kompetenten Organisation durch die AG Hessen durfte ich in der Akademie für Tonkunst in Darmstadt meinen ersten Workshop zu dem Thema geben, welches mich seit meiner Ausbildung im RE 58 in Heek am meisten beschäftigt:

„Chancen und Grenzen der Rhythmik im Instrumentalunterricht“.

Die Inhalte zum Einsatz von Bewegung innerhalb einer Instrumentalstunde im Einzel- wie im Gruppenunterricht prägen seit meiner ersten Begegnung mit dem Fach Rhythmik im Jahr 2006 (Kurs von Monika Mayr in der Landesmusikakademie Sachsen-Anhalt Blankenburg) meinen Harfenunterricht und wurden auch zum Thema der schriftlichen Klausur.

Nach nunmehr 10 Jahren der Anwendung rhythmischer Prinzipien in meiner Harfenklasse an der Musikschule (siehe Bericht „Ein rhythmisch-musikalisches Klassenvorspiel“ im RR 51) stand nun also ein Tag bevor, an dem ich meine Erfahrungen an andere Instrumentallehrer weitergeben wollte.

In Anlehnung an die Praxis von Emile Jaques-Dalcroze begannen wir dort, wo das Instrumentalspiel in unserer Kultur am häufigsten stattfindet: am Notenblatt.

Während der Vorstellungsrunde bezogen sich die 11 TN auf die in der Mitte liegende großformatige Partitur. Jeder suchte sich z.B. einen Takt, einen Rhythmus oder eine dynamische Bezeichnung durch Umkreisen mit einem Textmarker aus und formulierte so die eigene Motivation, diesen Kurs zu besuchen. So gekennzeichnet erschienen die vielschichtigen Ebenen, die jeder Musizierende versucht zu berücksichtigen, um eine überzeugende Interpretation des Gedruckten realisieren zu können.

Die im Notenblatt lesbaren Parameter wurden im zweiten Schritt durch Bewegung spürbar gemacht: jedem TN wurde auf dem Rücken eine Karte mit einem musikalischen Begriff, z.B. forte, Andante, legato, Pause etc. angeklebt. Damit bewegte sich die Gruppe frei im Raum zur Improvisation von der Harfe, um sich im Musik- und Fortbewegungsstopp jeweils den Kartenbegriff paarweise pantomimisch darzustellen. Die wahrgenommenen Begriffe wurden anschließend den Elementen Zeit, Kraft, Raum und Form zusortiert, auf diese Weise entstanden vier Kleingruppen, in jeder traf sich jeweils ein Begriff aus jedem Element: z.B. Andante (Zeit) – forte/stark (Dynamik) – hoch (Raum) – Rondo (Form). Jede Kleingruppe komponierte aus ihren Begriffen eine Bewegungsfolge, die sogleich auch in einer Instrumentalimprovisation auf den mitgebrachten Instrumenten erklang.

Die komplexe Auseinandersetzung mit einem Musikstück wurde auf diese Weise aus dem Notenblatt herausgelöst und konnte den TN vermitteln, was im Unterricht normalerweise alles vom Lehrer mehr oder weniger bildhaft ERKLÄRT wird, häufig viele Male, um den Schüler zu animieren, alle vom Verstand geprägten Erläuterungen beim Vorspiel auch genauso umzusetzen. Die Realität der Umsetzung beschäftigt jeden Unterrichtenden ganz individuell im beruflichen Alltag ...

Nach dem eher kognitiv gestarteten Beginn, den ja auch Dalcroze nutzte, um die MusikstudentInnen Tonleitern, Kadenzen, Taktarten in ein fühlbares Erlebnis ihres Spiels zu bewegen, folgte der nächste Ansatz durch bewusstes Hören und der Wirkung von Musik:

Zum von CD erklingenden Thema der Goldbergvariationen von J.S. Bach knetete jeder für sich eine eigene Form aus einer später an der Luft trocknenden Masse.

Die fantasievollen Skulpturen fanden anschließend ihren Platz als Ausstellungsstück im Raum und die TN stellten sie im rhythmischen „Museumsbesuch“ in eigener Körperhaltung nach. Schließlich wurden wiederum in Kleingruppen je vier Haltungen zu einem wiederholbaren Bewegungsablauf verbunden. Jede Gruppe bewegte schließlich ihre Folge zu drei verschiedenen Stilepochen (Romantik, Alte Musik, Avantgarde). Es war spannend zu beobachten, ob und wie sich die unterschiedlichen Klangcharaktere auf die Artikulation gleicher Bewegungsabläufe auswirkten.

Alle im Workshop durchgeführten Aufgaben habe ich übrigens mit meinen eigenen Schülern erarbeitet, viele Ideen entstanden durch sie selbst. Jedes Mal ist ein derartig bewegungsreiches Ereignis für mich als Vermittlerin der musikalischen Inhalte äußerst aufschlussreich, da unmittelbar sichtbar wird, wie die jungen Musiker überhaupt Musik wahrnehmen.

 

Im weiteren Verlauf des Tages wurden nun zahlreiche einzelne Parameter bewegt, um ein Repertoire zur eigenen Anwendung bieten zu können: 

  • Rhythmisches Putzen des eigenen Instrumentes mit Staubtüchern
  • Vom gefühlten Puls zum körpereigenen Metronom
  • Fortbewegungsarten als Vermittler von Notenwerten
  • Tennisbälle als Taktgestalter
  • Seile zur Wahrnehmung von Tonhöhe und Phrasierung
  • Gummibänder zu spür- und sichtbaren Spannungs- und Formaspekten
  • Instrumentalimprovisation zum kreativen Umgang mit den Parametern

Mitgebrachtes Bild- und Filmmaterial aus meinem Unterrichtsgeschehen an der Musikschule sowie Berichte über kreative Klassenvorspiele rundeten das praktische Erleben ab. Der Tag verging wie im Fluge, so dass viele weitere Materialien, die ich häufig verwende (Legosteine, Luftballons, Tücher ...) gar nicht mehr zum Einsatz kamen.

Zum Abschluss gab ich schriftliche Anregungen für den eigenen Unterricht mit und schließlich gingen alle inhaltlich sehr bereichert auseinander mit dem Wunsch nach einer Fortsetzung. Dafür danke ich an dieser Stelle allen TeilnehmerInnen und Iris Puchtler für Ihre Unterstützung sehr.

 

Christiane Rosenberger, 16. September 2016

   

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